Ironie/Satire

Der Kontrast zwischen den Protagonisten Maia und Filip ist eine der unübersehbaren Tatsachen dieser Geschichte. Filip ist tollpatschig, beschreibt sich selber als unreif, stellt sich auch im Umgang mit anderen Menschen nicht immer geschickt an und ist in einfachen Verhältnissen, ohne Vater, aufgewachsen. Maia hingegen ist scheinbar perfekt: Sie weiss, was sie will - ihre Pläne für die Zukunft von ihr und Filip könnten unmissverständlicher nicht sein. Sie ist organisiert, fühlt sich in der Schweiz zu Hause, stammt aus einer wohlhabenden Familie, mit der sie guten Kontakt pflegt. Das ist per se nicht ironisch, doch wenn man das Ende unter die Lupe nimmt, zeigt sich die Ironie in ihren ganzen Facetten: Die nahezu perfekte, hochschwangere Maia verunfallt am Ende in den ihr vertrauten Bergen und verliert das Kind. Ihre Träume sind scheinbar geplatzt, sie weint wochenlang um das Kind und erst mit der Hochzeit scheint sie den tragischen Verlust langsam zu verkraften. Filip, fest entschlossen seinen Vater zu finden, reist nach London, wo er den Mann vermutet, dessen Gesellschaft er sein gesamtes Leben entbehren musste. Seine Aufmerksamkeit erregt ein Zeitungsbericht über einen toten Mann, der aus einem Flugzeugfahrwerk gefallen ist. Ohne realistischen Bezug zu seinem Vater, klappert er die Krankenhäuser ab, in der Hoffnung ihn zu finden. Die Chancen, dass dieser Mann sein Vater ist, sind gleich null - eine hoffnungslose Jagd nach seinem Vater. Am Schluss der Reise findet er dennoch seinen Vater, wenn auch tot. Doch es ist nicht der Mann, der vom Himmel fiel. Dem Tollpatsch, der ein hoffnungsloses Ziel verfolgt, gelingt seine Mission, während die perfekte Lebensgefährtin scheitert. Pure Ironie, die sich über die ganze Geschichte erstreckt, mit einem beinahe bitteren Beigeschmack. Noch ironischer - und noch bitterer - wird der Ausgang der Geschichte, wenn man bedenkt, dass Filip noch kein Kind wollte und entsprechend wenig begeistert war, als er von Maias Schwangerschaft erfuhr.

Nicht weniger ironisch ist die Suche nach seinem Vater. Als Filip den toten Mann, der aus dem Flugzeug fiel, ausfindig machen will, erkundigt er sich in den Krankenhäusern. Was Filip nicht weiss: Sein kranker Vater, der seinem Leiden letztlich auch erliegen wird, ist genau in dem Krankenhaus, in welches die Spur des mysteriösen Toten ihn führt. Ohne es zu wissen, hat Filip den exakten Aufenthaltsort seines Vaters gefunden und genauso unwissend wieder verlassen. 

Ebenfalls zum Ende gehört die Hochzeit, die weit weniger bitter ist. Maia, die selbstsichere und perfekte Frau, welche die Beziehung stets vorantreiben musste und kürzlich einen Unfall hatte, tanzt mit Filip auf dem Dampfschiff. Filip, der eigentlich nicht heiraten will, bisher mehr hinter Maia hergezogen wurde und sich dauernd ungeschickt anstellt, muss seine Frau nun beim Tanz führen. Es ist bestimmt ein Zeichen seiner Entwicklung, dass er langsam sesshaft und reifer wird. Doch muss man bedenken, dass man über die vorherigen zweihundertsiebzig Seiten, die Mundwinkel zu einem leicht spöttischen Lächeln verzogen hätte, beim abstrusen Gedanken, Filip würde beim Tanz an der Hochzeit eine verletzte Maia über die Tanzfläche führen. Ein weiterer ironischer Aspekt ist der Ort der Hochzeit: das Dampfschiff. Filip sieht die Hochzeit, die Maia anstrebt, stets als ein Ritual der Sesshaftigkeit, gegen welche er sich sträubt. Dieser Akt der Sesshaftigkeit, die im gesamten Roman eine zentrale Rolle spielt, findet auf einem sich bewegenden Ort und zudem auf schwankendem Grund statt. Auch wenn diese Mobilität sich auf den See beschränkt, ist es durchaus ironisch. Auch wenn Filip langsam beginnt sesshaft zu werden: Ganz verflogen ist seine Angst vor der Sesshaftigkeit nicht.

Dann wäre noch Filips Flucht vor der Heimat. Das Fernweh zieht ihn nach London, wo er ich eine Auszeit nehmen will, seiner Vergangenheit, genauer seinem Vater, nachgehen will. Es ist eine Reise zur Selbstfindung, eine Flucht ins Fremde. Ironischerweise findet er Arbeit bei einem Schweizer, bei einem Reisebüro mit dem Namen «Helvis Tourism», welches Reisen in die Schweiz verkauft. Er verkauft Reisen in seine Heimat, aus der er geflohen ist. In eine Schweiz, die auch für ihn fremd ist.


Autor: Silvan

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